“Du sagst, Du wärst nicht oberflächlich, wie Du scheinst.
Was soll ich von Dir halten?
Denn Reife, Kind, wenn Du das wirklich meinst,
Hat nichts zu tun mit Falten.”
Bei oben genanntem Liedtext mag es nicht bei jedem gleich ‚Klick‘ machen. Doch wenn ich die Zeilen des Refrains zitiere, kommt es dem einen oder anderen vielleicht bekannt vor:
Sechzig Jahre und kein bisschen weise,
Text: Hans Hammerschmid, Miriam Frances, Interpret: Curd Jürgens
Aus gehabtem Schaden nichts gelernt.
Sechzig Jahre auf dem Weg zum Greise
Und doch sechzig Jahr‘ davon entfernt.
Der Countdown läuft! 🚀
Nun bin ich weder 60 Jahre alt, noch fühle ich mich auf dem Weg zum Greise. Doch kürzlich stolperte ich über dieses Lied und stellte erstmals einen Bezug zwischen dem Text und meinem eigenen Leben her.
Noch gut eine Woche, dann werde ich 50. Ich werde mit meiner Familie und meinen Freunden feiern und ich werde garantiert mehrmals die EINE Frage beantworten müssen: “Und? Wie fühlt man sich mit 50?” Diese Frage wurde mir zumindest bei meinen zurückliegenden runden Geburtstagen (man ändere bitte nur jeweils die Zahl) immer wieder gestellt. Ich frage mich manchmal, ob das so eine Smalltalk-Floskel ist oder ob die Menschen tatsächlich aus ernsthaftem Interesse eine substantielle Antwort erwarten, in der Hoffnung, einen Impuls oder eine Inspiration für ihr eigenes Leben zu bekommen. Oder ist ihnen so sehr an mir gelegen, dass sie wirklich wissen wollen, wie es ganz tief in mir aussieht?
In den letzten Jahrzehnten habe ich diese Frage jedenfalls humorvoll mit einem Augenzwinkern und irgendeiner spontanen, wenig aussagekräftigen Floskel beantwortet. Von “Prima!”, “Wunderbar!”, “Am liebsten gut!” über “Muss ja, nä!” bis hin zu “Ein Jahr älter.” war so ziemlich jedes Bla-Bla dabei. Wie soll ich denn auch bereits am Tag meines Geburtstages wissen oder in Worte fassen, wie ich mich mit dem gerade neu erreichten Alter fühle? Für meinen Fünfzigsten hingegen habe ich mir vorgenommen, bei Bedarf eine etwas differenzierte Antwort parat zu haben.
Wie fühlt man sich mit 50?
Kreuze an: 🔲 prima 🔲 elend 🔲 am liebsten gut 🔲 muss ja 🔲 ein Jahr älter 🔲 sonstiges
Reden ist silber, sich kurzfassen ist gold. 🤫
Aber wie soll ich ehrlich und substantiell antworten, ohne in einen zu lang geratenen Monolog zu verfallen und damit selbst die interessierteste Person an Ort und Stelle zu sedieren? Es gibt ja diese eher unbegabten Smalltalker, die auf die kurze, wenn auch zugegeben etwas überflüssige Begrüßungsfloskel, ob “so weit alles klar” sei, sich zu einem endlosen Vortrag über ihre Lebensgeschichte hinreissen lassen. Diese berühmte Boulette möchte ich nun wirklich niemandem ans Ohr quatschen.
Ich glaube daher, ich werde die Frage nach meinem Befinden einfach dahingehend beantworten, dass ich mich irgendwie klüger fühle. Nun will ich behaupten, dass ich nie besonders dumm war. Aber wenn mich auf meinem Weg zur sogenannten “Lebensmitte” in den letzten Jahren etwas umgetrieben hat, dann der Wunsch nach mehr “Klugheit”. Ich will hier nicht das Fass aufmachen und den Unterschied und die Abgrenzungen zwischen “gebildet”, “intelligent” oder “klug” sein erörtern. Mir geht es hier nicht um Bildung oder Intelligenz, sondern um Klugheit im Sinne der gängigen Definition, die da sinngemäß sagt,
… dass Klugheit die Fähigkeit ist, dass ich in einem konkreten Einzelfall und unter Berücksichtigung aller mir für die Situation bekannten und relevanten Faktoren, Handlungsziele und Einsichten, angemessen handle.
Das mag noch ein wenig gestelzt klingen, im Grunde heißt es für mich nichts weiter, als dass ich schon so viel erlebt und die Konsequenzen meiner Entscheidungen und meines Handelns zu spüren bekomme habe, dass ich im besten Fall etwas daraus lernen konnte und das Gelernte in meine künftigen Entscheidungen einfließen lassen kann. Es geht also um das Lernen durch Erfahrung.
Der chinesische Philosoph Konfuzius brachte es noch deutlicher auf den Punkt:
“Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu Handeln: erstens durch Nachdenken, das ist das Edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist das Leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist das Bitterste.”
Konfuzius *551 v. Chr. †479 v. Chr.
Ist Erfahrung wirklich so bitter?
Dass ich – sofern ich bereit dazu bin – allein durch reine Lebenszeit und -erfahrung klüger werden kann, ist natürlich nachvollziehbar und auch gut. Ich meine, wie dumm wäre es, wenn ich mit Fünfzig noch immer meinen Finger in den Topf mit den kochenden Kartoffeln stecken oder meine Hand auf die berühmte heiße Herdplatte legen würde, nur um zu merken, dass das sehr schmerzhaft ist? Andererseits, ist es nicht auch schade, dass es mit zunehmendem Alter immer weniger Dinge gibt, die wir zum ersten Mal fühlen, sehen, schmecken oder hören und die wir dadurch auch weniger zu würdigen wissen? Tragischer noch finde ich die Tatsache, dass man vor lauter bereits gemachter Erfahrungen ein gesundes Stück Naivität eingebüßt hat. Wie viele Ideen, Wünsche oder Träume setzen wir mit zunehmendem Alter nicht mehr in die Tat um, nicht, weil wir uns zu alt dafür fühlen, sondern weil wir aus vielerlei Erfahrung glauben, dass es sowieso nicht funktionieren kann, weil … Und dann beginnen wir damit, alle möglichen Gründe aufzuzählen, warum wir unsere Pläne angeblich nicht verwirklichen können. Wäre es da nicht manchmal leichter, wenn unsere Festplatte noch so leer wäre wie zu unserer Kindheit und unser Erfahrungsschatz uns nicht wie ein Bleigewicht nach unten ziehen würde?
Jeden Tag so leben, als sei er mein letzter. Echt jetzt?
Es heißt oft, wir sollten jeden Tag so leben, als sei er unser letzter. Ich bin mit diesem Gedanken nie so richtig warm geworden. Wahrscheinlich lag es an dem Begriff “letzter”. Irgendwie hat das für mich immer etwas Bedrohliches oder Beängstigendes: letzte Chance, letzter Ausweg, letzter Platz, letzte Mahnung, letzte Warnung, letzter Gruß und was es nicht noch alles an “letzten Gelegenheiten” gibt. Da las ich neulich von einer interessanten Alternative: Wir sollten nicht jeden Tag so leben, als wäre er unser letzter, sondern unser erster. Wie viel Frische, Neugierde, Begeisterung und Faszination steckt in diesem Gedanken! Ist das nicht Aufbruchsstimmung und Motivation? Natürlich tragen wir unseren Erfahrungsschatz mit uns herum, im Positiven wie im Negativen. Aber wenn ich mit einem Vorsatz in mein neues Lebensjahrzehnt starten will, dann mit dem, dass ich trotz wachsender Erfahrung nicht die Neugierde und das Selbstvertrauen verliere, um immer wieder Neues zu versuchen. Oder um es mit den Worten einer besonders selbstbewussten Person zu sagen:
„Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe!“ 💪
Pipi Langstrumpf
Das soll es für heute erstmal gewesen sein. Danke für dein Interesse, bis bald und herzliche Grüße,
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