„Always on my mind“ von den Pet Shop Boys! OH MY GOD! Das ist MEIN Lied! Ich dreh‘ durch!
Wie ein kleines Kind, das an der nächsten Straßenecke den schönsten Spielplatz der Welt entdeckt hat, renne ich los. Mein Spielplatz ist an diesem Abend die Tanzfläche! Voller Euphorie greife ich mir beim Sturm auf den Dancefloor (darf man Ü40 die Tanzfläche überhaupt noch so nennen?) eine dieser blinkenden LED Lichtleisten, die der DJ eigentlich nur zur stimmungsvollen Illumination der Partylocation aufgestellt hat. Die blinken herrlich bunt und wechseln psychedelisch die Farben. Das Gute ist, dass sie mit Akkus, also ohne Kabel funktionieren und man einfach so mit ihnen herumfuchteln kann. In meinem Zustand – den ich an diesem Abend als „bisher moderat aber spürbar alkoholisiert“ bezeichnen würde – das perfekte Party-Accessoire.
Freddie Mercury meets Pet Shop Boys 🙂
Dass irgendein angetrunkener Heini wie ich, diesen halben Meter Lichtleiste als imaginäres Mikrofon missbraucht und damit wild über die Tanzfläche tobt, wird der DJ wohl gar nicht gut heißen. Aber das ist mir in diesem Moment so was von scheißegal. Ich bin komplett im Partytunnel, singe mit meinem LED-Pseudomikro lauthals mit, tanze und singe jeden auf der Tanzfläche an und bin einfach nur in einem glücklichen Freudentaumel. Ich verrenke mich, mache tänzerisch pathetische Gesten und finde mich beim Refrain „YOU ARE AAAAALWAYS ON MY MIIIIIND, YOU ARE AAAAALWAYS ON MY MIIIIIIIIND!!!“ auf dem Boden kniend wieder, mein Spielzeug-Mikro mit theatralisch ausgestreckten Armen von oben herab vor mein Gesicht haltend, wie ein Schwertschlucker, der sich das Teil gleich tief in den Rachen schieben wird. Wahrscheinlich habe ich das mal bei Freddie Mercury gesehen. Der turnte ja auch immer mit seiner abgebrochenen Mikrofonstange über die Bühne.
Ein Knaller nach dem anderen!
Leider verklingen gerade die letzten Töne der Pet Shop Boys und ich muss die LED-Leiste schnell zur Seite legen. Aber nicht weil der DJ mit mir gemeckert hätte, sondern weil ich schon total begeistert den Beginn des nächsten Songs vernehme:
„Jeden Tag sitz ich am Wannsee, und ich hör’ den Wellen zu. Ich sitz hier auf meinem Handtuch – Ouhuuuu-Ouhuuuuuuu – doch ich finde keine Ruh’! Diese eine Liebe wird nie zu Ende geh’n. Wann werd’ ich sie wiedersehen?!“
Intro von „Westerland“ (Die Ärzte)
„Westerland“ von den Ärzten! „DJ, ICH LIEBE DICH!“ Dieser Gedanke torkelt mir an diesem Abend noch so einige Male durch mein angenehm vernebeltes Hirn, denn es folgt ein Knaller nach dem anderen: 99 Luftballons, Summer of ’69, Tainted Love, Take On Me, und, und, und. Es ist einfach so geil.
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Perfekt eingepegelt für die guten alten Zeiten! 😜
Nicht, dass ich sturzbesoffen wäre. Aber ich bin hemmungslos genug, um nach Herzenslust zu tanzen, ohne mir einen Kopf darüber zu machen, wie ich gerade so rüberkomme. Damals, Ende der 80er, im noch jugendlichen Alter, da wäre mir ein solcher Event keine einzige Zeile wert gewesen. Da erlebte ich so was streckenweise mehrmals pro Woche (nur heftiger) und fand das völlig normal. Aber heute, an einem dieser selten gewordenen Abende, löst die Musik von früher (und vielleicht auch mein Alkoholpegel) ein ganz besonders wohliges Gefühl und die Erinnerung an eine Zeit aus, von der viele in meiner Generation behaupten, es war die geilste Zeit überhaupt. Es waren die sogenannten „guten alten Zeiten“!
„Meine Generation“! Das sind Menschen um die 50. Wenn die von den „guten alten Zeiten“ sprechen, dann meinen sie die Zeit, als wir unsere TV-Programme noch an einer Hand abzählen konnten, unsere Telefone Wählscheiben hatten und wir unserer Lieblingsmusik tagelang im Radio hinterherjagen mussten, um selbige dann eilig auf einer Kassette aufzunehmen, wo uns dann im schlechtesten Fall auch noch ein nerviger Moderator mitten ins Lied quatschte. 🤮
Was sind denn genau die „guten alten Zeiten“ eigentlich?
Ich frage mich manchmal, was wirklich damit gemeint ist, wenn wir von diesen „guten alten Zeiten“ sprechen. Wir meinen damit ja natürlich nicht den kalten Krieg, den Super-GAU von Tschernobyl, das Flugshow-Unglück von Ramstein oder die vielen anderen schrecklichen Katastrophen und menschlichen Tragödien von damals. Ich glaube, es geht uns überhaupt nicht wirklich um die damalige Zeit im Sinne einer Epoche oder um die Art der Musik, der Mode oder des TV-Programms. Ich glaube, das wäre alles austauschbar und es geht in Wahrheit nur darum, dass jeder von uns in diesen guten alten Zeiten ganz einfach eins war: JUNG!
Und wenn du jung bist, dann scheint das Leben und dann scheinen auch deine eigenen Möglichkeiten endlos zu sein. Du hast alles noch vor dir. Die ganz große Freiheit winkt und lächelt dir zu! Du bist ziemlich ahnungslos und kannst dir den Luxus leisten, Illusionen zu haben und naiv zu sein. Du hast Zeit zum Testen, Ausloten und Herumprobieren – vorausgesetzt, deine Eltern lassen dich … 😉 Das ganze Leben ist da noch wie eine weiße Leinwand, auf der du gerade die ersten Pinselstriche machst und selbst gespannt bist, was da wohl später einmal für ein Gesamtkunstwerk entstehen wird.
„Ich glaube, das wäre alles austauschbar und es geht in Wahrheit nur darum, dass jeder von uns in diesen guten alten Zeiten ganz einfach eins war: JUNG!
Till Aigner, Hobby-Philosoph 🤣
Was mir bei den „guten alten Zeiten“ auch noch in den Sinn kommt, ist eine Art von Leichtigkeit, Sorglosigkeit und Übermut und ein Gefühl, frei von Verantwortung gewesen zu sein. Das natürlich nur in der Rückschau. Schließlich hat man auch in jungen Jahren seine Sorgen und Nöte gehabt. Aber das ist lange her und zwischenzeitlich ist so viel passiert, da erinnert man sich – vorausgesetzt, man ist hoffentlich nicht durch irgendetwas traumatisiert – doch am besten nur an die besonders schönen Dinge von damals.
Bin ich jetzt peinlich oder was?!
Apropos Verantwortung und Sorglosigkeit:
Während ich da an besagtem Abend so schön angeschickert und sorglos über die Tanzfläche tobe, blicke ich plötzlich in die zwei etwas irritiert dreinblickenden Gesichter meiner beiden Teenager-Kinder, die mich so wie heute noch nicht erlebt haben. Tja, es gibt immer und für alles ein erstes Mal.
Sie werden mir später noch sagen, dass das voll peinlich gewesen sei. Klar, in den Augen eines pubertierenden Jugendlichen ist so ziemlich jeder Vater und jede Mutter irgendwann und irgendwie peinlich, erst recht zu später Stunde auf der Tanzfläche, wenn die 80er dröhnen und es kein Halten mehr gibt. Wenn es einen Wettbewerb im Peinlich-Sein geben würde, hätte ich ihrer Ansicht nach an diesem Abend wohl die Goldmedaille verdient.
Was haben meine Kinder an diesem Abend überhaupt neben der Tanzfläche verloren?
Nun ja, wir sind an diesem Abend auf einer Familienfeier, auf der Hochzeit meines Patenkindes bzw. meiner Nichte. Da wird es dann für mich als Onkel schon zu einer gewissen Gratwanderung, wenn ich an so einem Tag einen auf „Ich will Spaß, ich geb Gas“ mache, gleichzeitig aber meine Nichte nicht in die Verlegenheit bringen will, sich vor ihren Freunden (die meisten so Anfang bis Mitte 20) für ihren voll peinlichen Onkel rechtfertigen zu müssen. Das war zum Glück auch überhaupt kein Thema, denn wir hatten einfach alle gemeinsam und generationenübergreifend einen richtig tollen Abend. Ich war freudig beeindruckt, die Jugend von heute total begeistert zu den Krachern von damals tanzen zu sehen. Die kannten die ganzen alten 80er Hits sogar wie aus dem FF. Die 80er gehören eben einfach doch zu den besten guten alten Zeiten aller Zeiten! 😎👍
Das soll es für heute erstmal gewesen sein. Danke für dein Interesse, bis bald und herzliche Grüße,
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Danke für diesen Artikel: ich fühlte mich in meine Jugend zurück versetzt. Denn auch ich war in dern 80ern JUNG und finde darum, dass es die besten guten alten Zeiten aller Zeiten sind 😉
Der Artikel wird natürlich an die Leser:innen von trusted-blogs.com weiterempfohlen. Na klar!
Beste Grüße,
Eddy
Danke, lieber Eddy für deine nette Rückmeldung. Schön, dass ich dich ein bißchen mit in die „guten alten Zeiten“ nehmen konnte. Ich freue mich über deine Weiterempfehlung bei euch auf trusted-blogs.com. 🤗
Was für eine schöne Zeitreise in meine eigene Vergangenheit. Ein bißchen Wehmut und Nostalgie schwingt nach mittlerweile über 30 Jahren mit. Der Blick nach vorn ist mir aber noch viel wichtiger. Da halte ich es mit Albert Einstein: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.”
Hey Feli, vielen Dank für dein Feedback. Du hast völlig recht. Es ist immer mal wieder schön, gedanklich in den „guten alten Zeiten“ zu schwelgen. Aber in der Zukunft spielt sich unser eigentliches Leben ab. Wobei … nicht mal das. Unser eigentliches Leben spielt sich tatsächlich nur in der Gegenwart ab. Das sollten wir nicht vergessen.
Herzliche Grüße, Till