Trau dich, ahnungslos zu wirken.
In Anlehnung an meinen Artikel über das Buch Bis an die Grenzen des Seins, wo es darum geht, wie gut es tut, einfach mal ohne Input von außen und vermeintlich ahnungslos zu sein, habe ich in Der tägliche Stoiker von Ryan Holiday etwas gefunden, was das sehr gut ergänzt:
„Wenn du dich verbessern willst, sei damit zufrieden, ahnungslos oder dumm zu wirken, wenn es um irrelevante Dinge geht – tue nicht so, als wärst du besonders gescheit. Und wenn dich jemand wichtig findet, misstraue dir selbst.“
Epiktet , Enchiridion 113 a
Der Autor Ryan Holiday kommentiert dieses Zitat wie folgt:
Hast du etwa Angst, dich auf der nächsten Party zu blamieren, weil du ahnungslos bist?
„In einer Welt der Massenmedien, in der wir rund um die Uhr total vernetzt sind, braucht es gehörige Courage , um zu sagen: „Ich weiß nichts davon.“ Oder noch provokanter: „Es interessiert mich nicht.“ In großen Teilen der Gesellschaft wird vorausgesetzt, dass man über jedes nennenswerte Ereignis Bescheid weiß, jede Episode einer von der Kritik gefeierten Fernsehserie gesehen hat, die Nachrichten ehrfürchtig verfolgt und sich anderen gegenüber als gut informiertes und weltgewandtes Individuum präsentiert. Aber wo ist der Beweis, dass das tatsächlich notwendig ist? Wird diese Verpflichtung von offizieller Seite erzwungen? Oder hast du etwa Angst, dich auf der nächsten Party zu blamieren? Selbstredend schuldest du es deinem Land und deiner Familie, generell über Ereignisse informiert zu sein, die dich direkt betreffen könnten, aber das ist es dann auch.
Wie viel mehr Zeit, Energie und reines Denkvermögen stünden dir zur Verfügung, wenn du deinen Medienkonsum drastisch einschränken würdest? Um wie viel erholter und wacher würdest du dich fühlen, wenn dich nicht länger jeder Skandal, jede Sensationsnachricht und jede potentielle Krise (von denen sich viele ohnehin in Nichts auflösen) in helle Aufregung versetzen würde?“
Darf ich wirklich sagen: „Ich will ahnungslos sein.“?
Ich habe erst kürzlich mit einem Freund darüber gesprochen, wie belastend es doch sein kann, wenn man im Prinzip über alles informiert wird bzw. informiert sein kann (oder vermeintlich muss?).
Wir sprachen davon, wie schön es diesbzgl. in frühesten Zeiten gewesen sein muss, z.B. in der Antike oder im Mittelalter. Da lebte man im wahrsten Sinne in seinem Dorf, in seiner Bubble und bekam nur das mit, was wirklich absolute Relevanz für einen selber hatte.
Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden, natürlich ist es schrecklich, wenn am anderen Ende der Welt oder zumindest weit, weit weg von mir, ein Wirbelsturm, ein Erdbeben, Vulkanausbruch, Tsunami, Grubenunglück, Terroranschlag, Amoklauf o.ä. Menschenleben kostet. Da stecken immer furchtbare Schicksale dahinter. Aber wie weit bin ich der Pflicht, mich diesen Ereignissen zu widmen, sie wahrzunehmen, zu reflektieren und “in mich hinein zu lassen”?
Wieviel Egoismus darf ich mir zugestehen?
Ist es egoistisch und moralisch verwerflich zu sagen: “Was interessiert es mich?“. Über wieviel muss ich informiert sein? Wieviel Mitgefühl und Hilfsbereitschaft muss ich aufbringen? Was bedeuten Ereignisse weit weg von mir für mich persönlich, für mein Leben? Ja natürlich, in einer globalisierten Welt hängt vieles miteinander zusammen und hat seine Kausalitäten. Und sicher sorgt auch mein CO2-Fußabdruck mit für den Klimawandel und Wetterkatastrophen. Ich bin kein gleichgültiger oder kaltblütiger Mensch. Aber oft frage ich mich beim Blick in die Zeitung oder TV-Nachrichten: “Was hat das jetzt mit mir zu tun? Muss ich das alles wissen? Möchte ich das alles wissen? Was soll ich mit diesem Wissen anstellen?“
Das soll es für heute erstmal gewesen sein. Danke für dein Interesse, bis bald und herzliche Grüße,
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