„Hallo, ich bin der Till, ich wiege fast 100 Kilo und ich bin hier, um gemeinsam mit euch Knödelfeen endlich abzunehmen, wie auch immer das funktionieren soll.“
In meinem zurückliegenden Artikel über den Start meiner Midlife-Crisis habe ich meinen Körper in den Mittelpunkt gestellt. Das war meine persönliche Geschichte vom Pummelprinzen und seinem Aha-Erlebnis auf der ärztlichen Waage. Das war 2018 und ich war 44 Jahre alt. Ich bin bis heute davon überzeugt, dass dieser Moment damals der Auslöser für meine Midlife-Crisis war, denn ich stellte zum ersten Mal ganz bewusst einen Zusammenhang her zwischen
- einem wichtigen Ziel in meinem Leben,
- meinen aktuellen Koordinaten und
- meinem voraussichtlichen Verfallsdatum.
Kurz gesagt: ich war zu fett und wollte es nicht sein. Oder noch schlimmer: ich wollte nicht nur nicht fett sein, sondern sportlich und athletisch.
„Wenn sich auf deinem Bizeps erstmalig erkennbar eine Vena cephalica schlängelt, dann ist dein Oberarm zwar noch lange kein Ferrari, aber auch kein Fiat Panda mehr.“
So richtig fit mit Muckis und so. Das war meine körperliche Idealvorstellung. Ach ja, und natürlich noch ausgestattet mit einem Waschbrettbauch. Und wenn wir schon dabei sind: auch noch diese coole Ader auf dem Bizeps. Die ganzen durchtrainierten Typen haben so was. Die Bizepsader heißt medizinisch korrekt übrigens Vena cephalica und stellt bei den meisten (hauptsächlich männlichen) Fitness- und Bodybuilding-Novizen den heiligen Gral dar, den es zu erlangen gilt. Wenn sich auf deinem Bizeps erstmalig erkennbar eine Vena cephalica schlängelt, dann ist dein Oberarm zwar noch lange kein Ferrari, aber auch kein Fiat Panda mehr. Leider war ich in meinem ganzen bisherigen Leben nie wirklich aus der Fiat Panda Klasse herausgekommen und hatte noch nicht einmal Ahnung davon, wie ich ein Projekt „Körper 2.0“ überhaupt angehen sollte. Ich will das ganze schwabblige Drama hier auch nicht nochmal auswalzen. Wenn es dich interessiert, kannst du im ersten Tagebucheintrag meiner Midlife-Crisis gern nachlesen, wie das damals war, als mir klar wurde, dass mir allmählich die Zeit davon lief und wenn ich wirklich etwas ändern wollte, ich es JETZT verdammt nochmal ernsthaft angehen musste.
Um die 50 nochmal grundlegend was ändern? Wie kommen wir denn da hin?
„Auf diese obskuren Instagram-Motivationssprüche fallen wir doch eh nicht rein!„
Wenn du das hier liest, bist du wahrscheinlich auch in einem midlife-crisis-fähigen Alter und hast vielleicht auch noch mindestens einen unerfüllten Traum in deinem Leben, ein Ziel, das du bisher nicht angegangen bist, weil es dir zu groß, zu verrückt und einfach zu unrealistisch erscheint. Jetzt um die 50 nochmal grundlegend was ändern? Also nein. Da fallen uns doch spontan tausend gute Gründe ein, warum das völliger Quatsch ist. Und auf diese obskuren Instagram-Motivationssprüche fallen wir doch eh nicht rein. Oder geht da vielleicht doch was?
Meine Ziele sind nicht deine Ziele. Aber Ziele sind Ziele.
Wenn ich dir im Nachfolgenden erzähle, wie ich damals mein Projekt Körper 2.0 angegangen bin und dass daraus zunächst erstmal gar nichts, später aber noch weit mehr und tiefergreifendere Ziele und Projekte entstanden sind, so nimm das einfach als Synonym für das, was dich ganz persönlich um- und antreibt und was für dich noch alles möglich ist. Denn wahrscheinlich gehen dir meine Fettpolster, meine Vena cephalica und meine Traumbody-Ambitionen am Allerwertesten vorbei. Kann ich gut verstehen. Du hast bestimmt ganz andere Träume, Wünsche und Ziele für deine zweite Lebenshälfte. Setze sie gedanklich einfach immer da ein, wo ich von meinen Zielen spreche. Das ist im Prinzip alles übertragbar.
Was treibt dich an?
Ich bin jedenfalls absolut überzeugt davon, dass es völlig egal ist, wovon jeder einzelne von uns träumt. Am Ende entscheidet unsere Motivation, also unser ganz persönliches WARUM darüber, ob wir eines Tages tatsächlich losmarschieren und uns auf den erfolgreichen Weg der Veränderung machen oder schließlich doch wieder in unserer alten Komfortzone landen. Bei mir ging es mit meinem Körper los, den ich endlich und vor allem nachhaltig auf Vordermann bringen wollte, gesünder sein, fitter sein und beim Blick in den Spiegel auch irgendwie begeistert. Vielleicht ist es bei dir dein Beruf, deine Karriere, deine Beziehung, deine Bildung, dein Wohnort oder irgendein anderer Schwerpunkt in deinem Leben, den du in deiner zweiten Lebenshälfte gravierend ändern möchtest. Dann erzähle ich dir jetzt, wie du es am besten NICHT machst.
Der beste Tipp, wie du deine Ziele auf jeden Fall NICHT erreichst.
Als ich im Frühsommer 2018 mit Mitte 40 bei meinem Arzt auf dieser Waage stand und an Ort und Stelle die Entscheidung traf, dass sich ab jetzt alles ändern würde, fühlte sich das zum ersten Mal so richtig ernsthaft und bedeutungsvoll für mich an, so nach: „Jetzt aber wirklich! Ich mach kein’ Spaß. Ich zieh’ das jetzt durch! Von heute an werde ich meinem Ziel jeden Tag ein Stück näher kommen! Vollgas, yeah! Auf, auf und davon!“ Was auf meine Euphorie-Ekstase folgte, war … also … wie soll ich es formulieren …?
Nichts. Gar nichts. Es passierte wirklich NICHTS.
Ich hatte mich nämlich so dermaßen auf mein großes Ziel vom super-duper-sixpack-und-vena-cephalica Traumbody versteift, dass ich alles hundertfünfzig Prozent perfekt angehen wollte. Ich wollte die perfekte Ernährung, den perfekten Sport, das perfekte Umfeld, die perfekten Bedingungen und überhaupt, von jetzt an musste alles voll perfekt und generalstabsmäßig laufen. Von jetzt an würde ich nichts mehr dem Zufall überlassen. Das Problem: auf das perfekte Setting kannst du ewig warten. Es wird nicht kommen.
Wie ich mich in nur einem Zug Schachmatt setzte.
Es gibt eigentlich keine bessere Möglichkeit, um dich selbst so zuverlässig Schachmatt zu setzen, als alles perfekt machen zu wollen. Ich habe das damals echt noch nicht geschnallt, so blöd wie sich das aus heutiger Sicht auch anhören mag. Ich dachte wirklich: alles oder nichts. Entweder ich mache es jetzt perfekt und erfolgreich oder eben gar nicht. Wenn eine derartige Perfektion dein Anspruch ist, dann kannst du deine großen Ziele hier und heute begraben. So wie ich das damals angegangen bin, kann es einfach nicht funktionieren. Ich bin der lebende Beweis, dass es so nicht funktioniert, denn ich habe damals eineinhalb Jahre wie bescheuert in meiner Schachmattposition verharrt. Wäre mir bewusst gewesen, was mir heute bewusst ist, dann hätte ich bei meinem Arzt direkt von der Waage steigen und sofort loslegen können. Stattdessen stagnierte mein körperlicher Zustand nicht einfach nur, sondern es ging weiter bergab. Naja, eigentlich – wenn ich die Waage noch einmal als Maßstab nehme – ging es eher weiter bergauf.
„Sollte so ein peinliches adipöses Rumgeeiere etwa mein Ausweg sein?!“
Im Dezember 2019 kamen endlich zwei Ereignisse zusammen, die für mich eine bis heute nachhaltige Initialzündung darstellten.
Das erste Ereignis war, als ich mir die Fotos von unserer Betriebsweihnachtsfeier ansah. Auf denen tauchte ich oft auf, fühlte mich aber immer total schlecht getroffen. Naja, diese neumodische Digitalfotografie sorgt leider dafür, dass man so komisch in die Breite gezogen wird, wenn man zu weit am Bildrand steht. Das hat wohl irgendwas damit zu tun, dass die Kamera versucht, so viel wie möglich aufs Bild zu bekommen und dadurch an den Rändern alle Objekte so in die Breite gezogen werden. Das Problem war nur, dass dieser Effekt auch auftauchte, wenn ich auf Fotos voll in der Mitte war. Mir schwante, dass es sich hier möglicherweise gar nicht um einen rein technischen Effekt handeln könnte. Vielmehr wuchs in mir der Verdacht, dass dieser In-die-Breite-zieh-Effekt eine ganz natürlich Ursache haben musste, denn die anderen sahen alle so aus, wie sie nun einmal aussehen. Oh Gott! Kein technischer Fehler. Ich sehe wirklich so aus! Das waren im wahrsten Sinne die objektiven Beweisfotos dafür, dass ich nicht einfach nur älter wurde, sondern älter UND fetter. Die Kombination dieser beiden Entwicklungen – älter UND fetter – entfachte nochmal das Feuer an der Lunte meiner Midlife-Crisis-Bombe, die nun endgültig explodierte.
Das zweite Ereignis begab sich zufällig nur ein paar Tage später. Es war die Zeit zwischen Weihnachten und Silvester und ich kam mit einem Angebot in Kontakt, was Teil der Lösung meines Problems hätte werden können … aber ICH … bei den Weight Watchers? Moment mal! Bin ich da nicht etwas zu cool für so eine Truppe?
ICH bei den Weight Watchers?! Geht’s noch?!
Sind die Weight Watchers nicht diese dicken, überwiegend weiblichen Menschen, die sich im Stuhlkreis auf die Waage stellen und sich dann gegenseitig ihr Leid darüber klagen, wie fett sie sind? Nur um anschließend zu einer Tupperware- oder Kerzenparty zu rollen, wo sie es dann bei lecker Eierlikörchen und Knabbereien so richtig krachen lassen? Und bei der nächsten erfolglosen Wiegesession in der Manege des Weight-Watchers-Zirkus schieben sie ihre ausbleibenden Gewichtsverluste dann auf ihre ach so schlechten Gene oder ihren Stoffwechsel, der ja irgendwie kaputt sein muss.
Sollte so ein peinliches adipöses Rumgeeiere etwa der Weg aus meiner fast 100 Kilo schweren Schachmattposition sein?
„Hallo, ich bin der Till, ich wiege fast 100 Kilo und ich bin hier, um gemeinsam mit euch Knödelfeen endlich abzunehmen, wie auch immer das funktionieren soll.“
Nicht im Ernst oder? Wie tief muss ein super cooler Typ – wie ich ja eigentlich einer bin – im Schlamassel stecken, um auch nur ansatzweise in Erwägung zu ziehen, sich in einer derartigen Hölle für Übergewichtige der Lächerlichkeit preiszugeben? Die Antwort auf diese Frage ließ nicht lange auf sich warten und sie hat bis heute Stück für Stück mein Leben verändert. Und es hört nicht auf. Aber das würde hier und heute zu weit führen. Hier geht’s zur Fortsetzung …
Ich bin gespannt und freue mich auf den dritten Tagebucheintrag.
Danke, Viktor. Ja, es wird noch interessant 🙂